CDU und die zweifelhaften Argumente für die Tabakwerbung

Zum „vorweihnachtlichen Mittagessen“ bat Zigarettenhersteller Reemtsma („West“) auserwählte Bundestagsabgeordnete und -mitarbeiter am vergangenen Dienstag in die Berliner Vertretung des Landes Hamburg. Livrierte Kellner servierten bei Kerzenschein Jakobsmuschelsuppe, Kalbsfilet an Rotweinjus und Süßkartoffelpüree. Unter den Geladenen war auch Dominik Wehling, der Referent der Arbeitsgemeinschaft für Kommunalpolitik der Union. Dieses Gremium vertritt in der CDU/CSU-Fraktion die Interessen der Kommunen. Laut Insidern ist es neben dem CDU-Wirtschaftsflügel einer der mächtigsten Fürsprecher der Tabakwerbung.

Warum, verriet Wehling in einer kleinen Rede nach dem Hauptgang. „Aus kommunaler Sicht“, versicherte er seinen Gastgebern, den Zigaretten-Lobbyisten, sehe man ein Werbeverbot „sehr kritisch“:

„Es geht (……) einfach darum, dass sehr viele Städte mit Stadtmöblierern (Außenwerbungs-Unternehmen wie Ströer oder JC Decaux, Anmerkung der Red.) Verträge geschlossen haben: über Bushaltestellen, Infotafeln, WLAN-Hotspots und weiß nicht, womit man alles die Menschen in so einer Stadt beglücken kann. Das wird alles finanziert über Außenwerbung, und der überwiegende Teil der Einnahmen dieser Stadtmöblierer aus Außenwerbung ist (…) Zigarettenwerbung.“

Kurz darauf fügte Wehling an:

„Wir sehen aber auch: Wir werden mit dieser Haltung nicht öffentlich rausgehen können – weil die Diskussion, das Leben von Jugendlichen gegen eine Bushaltestelle, können Sie sich ausrechnen, wie lang man das aushält.“

Zu erklären, dass ihnen Bushaltestellen offenbar wichtiger sind als der Schutz der Jugend vor Zigaretten, das würde den Kommunalpolitikern von CDU und CSU tatsächlich schwer fallen.

Auf Anfrage erklärte Wehling, er könne seine Aussagen beim Reemtsma-Essen „in der von Ihnen zitierten Form nicht bestätigen“. Dem SPIEGEL liegen allerdings Aufnahmen seiner Rede vor.

Öffentlich zitieren lassen möchte sich die AG Kommunalpolitik nur mit einer Stellungnahme, deren Fokus auf der angeblich schwachen Wirkung der Plakatwerbung auf Minderjährige liegt. Hier heißt es, „dass Außenwerbung für die Rauchentscheidung Jugendlicher nicht mehr die Relevanz besitzt, die man in der Vergangenheit angenommen hatte“. Dort steht aber auch: „Für viele Kommunen sind die aus Außenwerbung generierten Einnahmen von nicht zu unterschätzender Bedeutung – gerade hinsichtlich der von Stadtmöblierern bereitgestellten bzw. unterhaltenen Infrastruktur wie Bushaltestellen.“

Um eine Gewichtung der Argumentation gebeten, erklärte Wehling gegenüber dem SPIEGEL am Telefon, Hauptargument für die Ablehnung des Werbeverbots sei die mangelnde Relevanz von Außenwerbung für die Rauchentscheidung Jugendlicher. Beim Reemtsma-Weihnachtsessen war der Eindruck ein anderer: Dass sich Jugendliche durch Außenwerbung angeblich kaum beeinflussen ließen, erwähnte Wehling dort erst, nachdem er konstatiert hatte, dass man mit dem Finanzargument „nicht öffentlich rausgehen“ könne.

Und: Die Behauptung, die Werbewirkung sei gering, widerspricht wissenschaftlichen Erkenntnissen. So zeigt eine Studie des Kieler Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung, dass der Anteil von Rauchern bei Schülern, die viel Tabakwerbung ausgesetzt sind, doppelt so hoch ist wie bei Schülern, die wenig Zigarettenreklame sehen.

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